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Rede zum Neujahrsempfang von Julius Wagner

Rede zum Neujahrsempfang von Julius Wagner

Neujahrsempfang der Stadt Eltville am Rhein 2023

Begrüßung
Julius Wagner
Vorstandsvorsitzender
der gemeinnützigen Stiftung Kloster Eberbach

  1. Januar 2023
    Laiendormitorium Kloster Eberbach

(Es gilt das gesprochene Wort.)

Willkommen in Kloster Eberbach!

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Patrick Kunkel,
verehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher Ingo Schon,
sehr geehrter Herr Abgeordneter des Deutschen Bundestages Klaus-Peter Willsch,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Mitglieder unserer großen Klosterfamilie,

herzlich willkommen zum ersten Neujahrsempfang nach zwei Jahren „Social Distancing“, nach über zwei Jahren pandemiebedingter Restriktionen und auch zum ersten Neujahrsempfang, an dem ich die Ehre, vielmehr die Freude habe, Sie in Kloster Eberbach leibhaftig zu begrüßen.

Das ist in mehrfacher Hinsicht motivierend, und es fühlt sich nach Aufbruch an.

Auch wenn andere dramatische Ereignisse die Belastungen der pandemiebedingten Einschränkungen bereits verdrängt zu haben scheinen, so weiß ich recht gut, wovon ich spreche, wenn es um die anhaltenden wirtschaftlichen Schäden in Hotellerie und Gastronomie, der Kulturszene, den Messen und der Veranstaltungswirtschaft und in vielen anderen Branchen geht, in denen die Begegnung und das persönliche Interagieren elementar sind. Und so stehen auch wir hier in Kloster Eberbach weiter unter den Eindrücken schwerer Verwerfungen.

In den betroffenen Betrieben sind Darlehen abzutragen, lange gestundete Steuern und Abgaben nun zu leisten. Die Gäste- und damit auch die Umsatzahlen haben sich in den vergangenen Monaten seit Ende der Beschränkungen im Mai 2022 zwar wieder stabilisiert, doch reichen sie allenthalben noch nicht an das Vorkrisenniveau heran.

Diese Entwicklung in den Blick nehmend, kann die Stiftung Kloster Eberbach hingegen gute Nachrichten vermelden: Im Jahr 2022 haben 86.370 Menschen das Kloster besucht. Eingedenk der schwierigen Monate zu Beginn dieses Jahres können wir von einem veritablen Besucherrekord sprechen.

Das liegt maßgeblich an der engagierten Arbeit des Teams um Timo Georgi und Marcel Bremser, die vor allem mit Planung, Organisation und Realisierung der Ausstellung „VERTRICKST“ und den Märkten für ein breites Zielpublikum diesen Ort zu einem Besuchermagnet entwickelt haben.

Wie Hotellerie und Gastronomie packen wir’s an, mit Freude und Zuversicht und stellen uns auch den nun weiter anhaltenden Herausforderungen.

Wie auch die Unternehmerinnen und Unternehmer außerhalb der klösterlichen Mauern, die jedenfalls existenzsichernde staatliche Hilfen in Anspruch nehmen konnten, haben wir das große Glück des Bekenntnisses der Hessischen Landesregierung zu Kloster Eberbach. Und wir sind für diese Unterstützung sehr dankbar, ist sie doch Voraussetzung für die gewaltigen Maßnahmen zum Erhalt und der Restaurierung der Gebäudesubstanz.

Doch was wäre dieser Ort ohne die Verbundenheit von Menschen, die uns als Stiftung als die Sachwalterin und Bewahrerin, das Kloster aber als das ihre begreifen:

all jene, die der Stiftung Geld, Zeit sowie Dienst- und Sachleistungen spenden, um diese in das Kloster und die Umsetzung von Herzensprojekten gegeben zu wissen. Das ist Ausdruck einer ganz besonderen Beziehung. Unser Auftrag ist es, dieser Verbindung zu dienen und dem uns entgegengebrachten Vertrauen gerecht zu werden. Dem Kreis der privaten Spenderinnen und Spender sowie den engagierten Unternehmen und Förderstiftungen gilt auch im zurückliegenden Jahr unser ganz besonderer Dank.

Gleichzeitig gilt ihnen und Ihnen allen unsere Verpflichtung, neben den großen baulichen Sanierungen, die maßgeblich mit Landesmitteln bestritten werden, Kloster Eberbach für die Allgemeinheit zu öffnen und ein Museum zu unterhalten. So heißt es auch in unserem Satzungsauftrag.

Meine Damen und Herren,
zu Beginn dieses neuen Jahres, welches für mich den Antritt meiner Aufgabe in Kloster Eberbach bedeutet, möchte ich Ihnen zwei unserer großen Ziele nennen:

  1. die Neukonzeption des Museums und
  2. die Stärkung des Klosters als Gastgeber in Hessen und im Rheingau.

Dabei ist ein Museum eingedenk der Möglichkeiten, aber auch Erfordernisse unserer Zeit nicht allein eine Aneinanderreihung von Räumen mit Exponaten und Schaukästen.
Ganz besonders mit Blick auf die Möglichkeiten dieses Ortes muss es vielmehr ein Universum des Erfahrens und des Erlebens des kulturhistorischen Erbes von fast neunhundert Jahren Geschichte, vor allem derjenigen, die diesen Ort geschaffen haben, sein.
Es geht um das zisterziensische Erbe. Und dieses Erbe hat die Kraft zur zukunftsweisenden Lebendigkeit: Beispielhaft sei das zisterziensische Prinzip der Eigenbewirtschaftung genannt.

Das bedeutet für uns heute, dass wir Prozesse des klösterlichen Lebens, die für den großen wirtschaftlichen Erfolg der Klöster in ganz Europa ursächlich waren, im Kontext von Kloster Eberbach inszenieren.
Aktueller an den Herausforderungen unserer Zeit könnten wir dabei kaum sein: Wenn wir auf den Weinbau blicken, geht es um eine für die Region prägende agrikulturelle Entwicklung und heute um die großen Herausforderungen des Klimawandels.

Teilhabe und aktives Mitanpacken, also Erlebnis, bringen Dynamik und Erkenntnis in Verbindung mit dem Verständnis der großen Zusammenhänge. Dabei bleiben wir am Puls der Herausforderungen unserer Zeit. Wenn wir auf die Imkerei blicken, und ich erinnere daran, dass unser Gründervater Bernhard von Clairvaux nicht nur ob seines honiggleichen rhetorischen Redeflusses mit einem Bienenkorb dargestellt wird, sprechen wir heute von Biodiversität und existentiellen Kreisläufen in der Natur.

Kurzum ein künftiges Museum in Kloster Eberbach muss vielmehr ein Erlebnisseum sein.

Wir wollen hier Geschichte deshalb lebendig gestalten, weil wir weitaus mehr für die Zukunft aus ihr lernen können als hehre Allgemeinbildung. Wir wollen Erfahrungen und Rückbesinnungen auf Werte vermitteln, die diesen Ort ausmachen:

  • Der nachhaltige und ertragreiche Umgang mit der Schöpfung, und das bedeutet: Natur- und Umweltbewusstsein
  • Verantwortung füreinander tragen
  • Kontemplation, Reflexion und Achtsamkeit
  • Bildung als Beitrag zur Entwicklung als soziale Wesen in der Gemeinschaft

Damit folgen wir – und zwar zeitgemäß, kombiniert mit der gewaltigen Kraft der Architektur der Baudenkmäler und digitalen Erlebniswelten – dem geerbten Rhythmus der weißen Mönche, der mehr als nur ihr Tagwerk einteilte:

Gebet – Lesung – Arbeit.

Ein Museum muss sich also auf den gesamten Klosterkomplex, räumlich und im übertragenen Sinne, erstrecken. Ein neues Museum muss sich organisch mit dem Kloster verbinden und für Lebendigkeit sorgen.
Es muss die Menschen ergreifen, fesseln und schließlich ihnen Erkenntnis und Glück schenken.

Dazu gehört die zweite große Aufgabe, die ich mir mit dem Stiftungsteam gemeinsam vornehmen möchte:

Die touristische Kompetenz des Klosters ausbauen oder die Gastgeberrolle stärken oder – bleiben wir in dem uns verpflichtenden und einzigartig machenden kulturhistorischen Kontext: das mönchische Hospitium leben.

Und ja, dazu gehört der Neubau eines Hotels. Alle Klöster beherbergten von jeher und gemäß ihren Regularien auf dem Fundament der christlichen, der benediktinischen Werte Reisende, Schutz Suchende, Kranke und Alte. Für pflegebedürftige und kranke Menschen haben wir fernab des Mittelalters heute geeignetere Einrichtungen. Für Reisende aber fehlt es uns in Eberbach schlicht an Obdach.

Mit der Erweiterung der bestehenden geringen Zimmerkapazitäten werden wir nicht nur dem Bedürfnis der Menschen nachkommen, die hier nächtigen und bleiben wollen, sondern auch unserer touristischen Leuchtturmregion, dem Rheingau einen nachhaltigen Dienst erweisen.

Doch zum Hospitium gehört noch weitaus mehr. Wir alle sind froh und dankbar, dass genau diese Entwicklung und Profilierung insbesondere in den letzten zehn Jahren kraftvoll und erfolgreich durch die Stiftung vorangetrieben wurde.

Die Strukturen wurden kontinuierlich professionalisiert, die denkmalgeschätzte Bausubstanz wurde behutsam und klug an zeitgemäße Anforderungen von Tagungen, Events und Veranstaltungen angepasst. Die Gastronomie wurde neu aufgesetzt. Kurzum: es wurde ein starkes und professionelles Zentrum im Rheingau geschaffen. Was für eine Leistung!

Es gilt, dies mit Enthusiasmus und im Geiste einer verbindlichen, freudigen und mit Ihnen allen gelebten Gastfreundschaft weiter zu entwickeln.

Schließlich geht es immer um das Eine: Viele Menschen aller Altersklassen und Gruppen hier her zu holen und zu begeistern. Kloster Eberbach lebt von den Menschen und ihrer Lebendigkeit.

Verehrte Gäste,

bevor ich nicht mehr aufhöre, erlauben Sie mir spiegelbildlich zu zwei großen Zielen zwei große Wünsche an Sie zu richten:
Helfen Sie dem Stiftungsteam und mir, Kloster Eberbach mit Liebe, Würde und Schaffenskraft durch eine progressive Entwicklung im Sinne der zisterziensischen Ideale zu bewahren. Denn dann entfaltet es seine ganze Kraft für alle.

Und teilen Sie mit mir nun den wichtigsten Wunsch für das neue Jahr, nämlich den Wunsch nach Frieden. Wir einzelne mögen keinen Einfluss auf die Aggressoren dieser Welt haben, doch wir können unseren täglichen
eigenen und persönlichen Beitrag in unserem Wirkungskreis leisten.

Ich wünsche uns, dass wir uns für das neue Jahr, das vornehmen, was der heilige Franziskus vor rund 800 Jahren in seinem Gebet „Prière pour la paix“ (dem Friedensgebet) formulierte:

Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens,
dass ich liebe, wo man hasst;
dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht;
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo Traurigkeit wohnt.

Herr, lass mich trachten,
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.
Denn wer sich hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergisst, der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.

Vielen Dank!

15.01.2023 ⋅ Aktuelles