Eine Frage der Liebe - Künstler Michael A. Müller spricht im Podcast über seine Kirchenfenster
„Es geht um die Geschichte, die wir alle teilen: Die Frage des Liebens…“
Künstler Michael Anthony Müller spricht im Podcast-Interview über die Kontroverse zu seinem Entwurf der Kirchenfenster für Kloster Eberbach
Passt die Kunst oder muss sie weg? In der neuen Folge des Kloster-Eberbach-Podcasts „Heiliger Bimbam!“ stellt sich der deutsch-britische Künstler Michael Anthony Müller den Fragen, die seit der Probeinstallation seiner farbigen Kirchenfenster in der Basilika von Kloster Eberbach zu einer Kontroverse geführt haben, und gibt im Interview mit dem Moderationsduo Melanie Besecke und Julius Wagner gleichzeitig tiefe Einblicke in seinen Werdegang.
Es geht um den Geist einer ehemaligen Klosterkirche. Strenge romanische Schlichtheit versus kraftvoll farbige Glasfenster in der profanierten Basilika. Und es geht auch um einen Beteiligungsprozess der Menschen an der Gestaltung in einem Kulturdenkmal. Die Stiftung Kloster Eberbach hat mit dem Einverständnis des Künstlers alle Klostergäste dazu aufgerufen, vor Ort ein Online-Voting abzugeben. Zu einer ganz simplen Frage: Gefällt oder gefällt nicht?
Das Ursprungswerk, aus dem Michael A. Müller die Entwürfe entwickelte und das zuletzt im renommierten Frankfurter Städel zu sehen war, trägt den Titel „Der geschenkte Tag“ und beschäftigt sich mit den Dimensionen der Zeit, ihres Vergehens und vor allem mit der Liebe.
Michael Anthony Müller, der in einem kleinen Weindorf nahe Ingelheim aufwuchs, später das Kunststudium an der Akademie in Düsseldorf schmiss, nach Indien reiste und dort ins Kloster ging, hat sich intensiv mit dem Ort Kloster Eberbach auseinandergesetzt, bevor er dem Verfahren zustimmte.
„Nach dem ersten Besuch habe ich mir die Frage gestellt: Willst Du eigentlich als Künstler in so einem Raum gezeigt werden? Einerseits ist das selbstverständlich eine Ehre. Aber nicht jede Ehre muss sinnvoll sein für einen selbst. Kann ich das und will ich das überhaupt? Wie viel Demut will man diesem Ort geben? Inwieweit will man den Ort verändern? Als Künstler will man was verändern. Und es war mir ziemlich klar, dass dies Konflikte besonders an so einem Ort hervorrufen würde.“
Die Einbeziehung der Gäste ist für ihn außergewöhnlich – ein „No-Go“ ist es indes nicht.
„Das war schon eine ungewöhnliche Anfrage an einen Künstler, weil wir das gar nicht kennen. Es ist ein einmaliger Vorgang für mich. Wir kennen Jurys oder Fachjurys, aber nicht, dass der Nachbar mitentscheidet. Eine Entscheidung ist ja immer eine Machtfrage, es gibt nur ein Ja oder Nein! Glücklicherweise muss ich nicht entscheiden. Ich muss mich damit auseinandersetzen. Das ist ungewohnt, fühlt sich aber gesund an. Damit meine ich, wenn man etwas schafft, ist es sinnvoll, dass es verbleibt und ankommt. Daher habe ich damals auch gesagt: Ich stelle mich dem!“
Griechische Mythologie als Inspiration – passt das in ein ehemaliges Zisterzienserkloster?
„Vieles, was in der christlichen Erzählweise existiert, ist bei den Griechen, den Babyloniern bereits vorhanden. Es gibt das Bedürfnis, uns zu erklären, wo wir herkommen. Und der zweite Teil jeder Erzählung ist es, wo wir hinwollen. Das ist es, was Glauben, meines Erachtens, in allen Religionen versucht zu schaffen. Ich bin zu dieser Geschichte gelangt, nicht, weil sie griechisch ist, sondern weil es eine Geschichte ist, die wir Menschen alle miteinander teilen: Die Frage des Liebens, des Gegenübers. Und dass es für mich ein Ort der Gemeinschaft ist, nicht ein Ort des individuellen Menschen, sondern, wo wir zusammenfinden. Einer der wichtigsten Gründe überhaut, warum wir sozial agieren, ist die Liebe. Und der zweite Teil der Geschichte ist die Frage, was ist man bereit zu opfern für diese Liebe...“
Stiftungsvorstand Julius Wagner: „Kunst soll bewegen, zum Nachdenken, zum Diskurs anregen. In Kloster Eberbach soll Kunst, der wir hier potenziell einen Wirkraum eröffnen, hingegen nicht provozieren. Dies wäre der Würde des Ortes nicht angemessen. Als Stiftung geht es uns darum, Kloster Eberbach in Würde und mit Tiefe weiterzuentwickeln. Schließlich ist durch den Aufruf zur Beteiligung ein echtes Moment der Teilhabe und vor allem des Diskurses entstanden. Und das ist gut und richtig: Kloster Eberbach ist lebendig.“
„Heiliger Bimbam!“ – den Kloster-Eberbach-Podcast gibt‘s überall dort, wo man Podcasts anhören kann, und über die Webseite.
Der Künstler Michael Anthony Müller
Michael Anthony Müller wurde am 2. Juli 1970 in Ingelheim am Rhein geboren. Bereits mit 15 Jahren folgten erste Ausstellungen seiner Kunst sowie sechs weitere, bis er mit 22 Jahren – für kurze Zeit – an der Kunstakademie in Düsseldorf studierte. Er brach das Studium ab, um zu reisen. Die indischen Wurzeln seiner Großmutter führten dazu, dass er sich mit indischer Musik vertraut machte und mit Fotografien tibetischer Mönche in Kontakt kam. Mit 23 Jahren reiste er das erste Mal in die Ladakh-Region und lebte dort zwischen 1992 und 2007 vornehmlich, u. a. im Kloster zu Alchi.
Von links: Sebastian Macho und Julius Wagner (Vorstand der Stiftung Kloster Eberbach), Michael Anthony Müller, Christine Kenner (Leiterin des Sachgebiets Restaurierung und Bauforschung beim Landesamt für Denkmalpflege Hessen) und Prof. Markus Harzenetter (Präsident des Landesamts für Denkmalpflege Hessen)
Alle Fotos © Sven Moschitz
29.05.2024 ⋅ Pressemeldung